Zeitzeug:innen-Gespräche

Erfahrungsbericht eines Interviewers

Autor

Paul Niklas Langer ist Student der „Deutsch-Französischen Studien: Grenzüberschreitende Kommunikation und Kooperation“ an der Universität des Saarlandes und Interviewer beim Projekt "Zeitzeug:innen im Saarland".
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© Zeitzeug:innen im Saarland
<p>Paul Niklas Langer berichtet &uuml;ber die Herangehensweise und beschreibt&nbsp;welche Erfahrungen und Eindr&uuml;cke er bei den Zeitzeug:innen-Gespr&auml;chen gesammelt hat.</p>
<p>Wir leben in einer Zeit, in der Geschichte mit nur wenigen Klicks erreichbar ist. Sei es die Franz&ouml;sische Revolution, die Abenteuer Alexanders des Gro&szlig;en oder der &Uuml;berlebenskampf der Ureinwohner Amerikas. Hunderte Artikel in allen m&ouml;glichen Sprachen besch&auml;ftigen sich mit vergangenen Zeiten. Aber kein Artikel, kein Aufsatz, kein Bericht kann in Dir selbst so viel bewirken, wie die Erz&auml;hlungen von Menschen, die Geschichte selbst miterlebt und beeinflusst haben. Die Rede ist von Zeitzeugen.</p> <p>Projekte mit Zeitzeugen sind nicht neu: Zig Zeitzeugen-Gespr&auml;che &uuml;ber den zweiten Weltkrieg und die Zeit in der DDR sind auf YouTube zu finden. &nbsp;Ein Bereich wurde bisher jedoch kaum beleuchtet: Die Geschichte des Saarlandes ab dem Ende des zweiten Weltkrieges. Und gerade diese Epoche ist in unserer Heimat weit untersch&auml;tzt. Saarabstimmung, Teilautonomie, <a href="/node/549" target="_blank">der Soldatenmord in Lebach</a>, <a href="/node/553" target="_blank">das historische 6:1 des 1. FC Saarbr&uuml;cken gegen Bayern M&uuml;nchen</a> - das sind nur einige Beispiele einer bewegten Saargeschichte, die sich nach 1945 abwickelte. Und genau diese sollte audiovisuell f&uuml;r immer festgehalten werden.</p> <p>Als ich das erste Mal von diesem Projekt erfuhr, war meine Begeisterung direkt geweckt. Eindr&uuml;cke &uuml;ber l&auml;ngst vergangene Ereignisse von Menschen zu erfahren, die so viel Spannendes pers&ouml;nlich miterlebt haben, das fand ich aufregend! Zus&auml;tzlich noch dazu beitragen, dass die Geschichte meiner Heimat festgehalten wird? Das klang f&uuml;r mich nach einem gro&szlig;artigen Projekt. Bewerbung geschickt, Daumen gedr&uuml;ckt und dann die Zusage erhalten &ndash; lief also alles optimal und die Arbeit konnte beginnen.</p> <p>Durch meine bisherigen journalistischen Erfahrungen wusste ich, dass mir das Interview bzw. Gespr&auml;chs-Format sehr gut liegt. So etwas wie Zeitzeugen-Gespr&auml;che hatte ich aber noch nie gef&uuml;hrt. Bisher geh&ouml;rten Stra&szlig;enumfragen, Interviews in einer Diskussionsrunde oder auch kurze Interviews mit Einzelpersonen eher zu meinem Metier. Jetzt sollte ich immer mindestens eine Stunde am St&uuml;ck ein Interview f&uuml;hren. Ich musste mich also auf etwas Neues einstellen. Deshalb war einerseits die Aufregung verst&auml;ndlich, andererseits aber auch die Freude vor meinem ersten Einsatz als Interviewer gro&szlig;!</p> <p>Bei meinem ersten Termin hatte ich sogar die Ehre, das erste Zeitzeugen-Gespr&auml;ch des gesamten Projektes f&uuml;hren zu d&uuml;rfen und somit auch das &bdquo;Zeitzeugen im Saarland&ldquo; &ndash; Projekt zu er&ouml;ffnen. Mein erster Gespr&auml;chspartner war Herr <a href="/guenter-georgi" target="_blank">G&uuml;nter Georgi</a>. Ein ehemaliger Bankkaufmann und Sportjournalist aus der DDR, der aufgrund eines kabarettistischen Auftritts aus der DDR mit seiner Familie ins Saarland fliehen musste. Hier machte er als Fotograf und Sportreporter in den Diensten des Saarl&auml;ndischen Rundfunks und der Saarbr&uuml;cker Zeitung auf sich aufmerksam. Er ist ein umtriebiger Mensch, der viel erlebt und gesehen hatte.</p> <p>Wie geht man am besten in so ein Gespr&auml;ch rein habe ich mich im Vorhinein gefragt. Muss ich bestimmte Themen vermeiden? Welche Fragen stelle ich? Kleide ich mich schick oder allt&auml;glich? Alles Gedanken, die mir durch den Kopf schwirrten. Im Endeffekt muss ich aber konstatieren, dass ich mir viel zu viele Gedanken gemacht habe. Zu gro&szlig;er mentaler Stress schadet nur der angenehmen Atmosph&auml;re, in der die Gespr&auml;che stattfinden sollen. Nach meinem ersten Termin war ich sehr beeindruckt. Die Erfahrungen, die Herr Georgi gemacht hatte, besch&auml;ftigten mich die gesamte Heimfahrt und noch die Tage danach. Wer die Erfahrungen auch kennenlernen m&ouml;chte, dem lege ich das Interview mit Ihm w&auml;rmstens ans Herz. Ein interessanter Start, der Lust auf mehr machte!</p> <p>&Auml;hnlich lief es nach meinen weiteren Gespr&auml;chen mit saarl&auml;ndischen Zeitzeugen ab. Jeder Termin beeinflusste im Nachhinein meine Gedankenwelt auf seine eigene Art und Weise. Ich lie&szlig; das Gesagte noch einmal Revue passieren. Bestimmte Passagen besch&auml;ftigten mich l&auml;nger. Und dabei rede ich nicht nur von besonders schlimmen Ereignissen, von denen mir im Laufe des Gespr&auml;ches berichtet wurde. Nein, auch sch&ouml;ne und beeindruckende Berichte blieben h&auml;ngen.</p> <p>
</p> <p>An dieser Stelle m&ouml;chte ich kurz auf mein zweites Zeitzeugen-Gespr&auml;ch mit Herrn <a href="/manfred-baumgaertner" target="_blank">Manfred Baumg&auml;rtner</a> eingehen. Er ist der Mann, der den letzten Hochofen auf der V&ouml;lklinger H&uuml;tte heruntergefahren hat. Er erz&auml;hlte mir voller Begeisterung von seinem abenteuerlichen und auch gef&auml;hrlichen Beruf als Hoch&ouml;fner auf der V&ouml;lklinger H&uuml;tte. Denselben Enthusiasmus legt er trotz seiner &uuml;ber 80 Jahre immer noch an den Tag, wenn er F&uuml;hrungen durch sein Herzst&uuml;ck, die V&ouml;lklinger H&uuml;tte gibt. Solche Geschichten beeindrucken mich einfach. Sich vorzustellen, wie er anfangs noch ohne Schutzkleidung am Hochofen arbeitete, ist unglaublich spannend. Die Geschichte von dem ehemaligen saarl&auml;ndischen Bergmann Horst Schmadel war ebenfalls sehr eindrucksvoll. Wie viel ihm die Kameradschaft unter und &uuml;ber Tage bedeutete, konnte man aus fast jedem seiner Berichte &uuml;ber seine Zeit als Bergmann heraush&ouml;ren. Schauen Sie sich beide Geschichten an, liebe Leserinnen und Leser. Es lohnt sich. Versprochen!</p> <p>Zu den Zeitzeugen-Terminen reisen wir immer in einem Team an, bestehend aus Maskenbildnerin, Kameramann, einer Projektmitarbeiterin und dem Interviewer. Dies kann erdr&uuml;ckend auf einen Zeitzeugen wirken. Auch sind einige meiner Fragen von sehr pers&ouml;nlicher Natur gewesen. Trotzdem wurden wir stets mit einer gro&szlig;en Herzlichkeit empfangen. Ich erinnere mich gerne an meinen Termin bei der K&uuml;nstlerin Frau Marianne Aatz in Oberl&ouml;stern bei Wadern. Dort wurden wir empfangen mit Schnittchen aus w&uuml;rzigem K&auml;se, guter gesalzener Butter und einem regionalen Krustenbrot mit einer Tasse Kaffee &ndash; ein toller Einstig in das bevorstehende Gespr&auml;ch.</p> <p>Sobald dann mal die Kamera und das Mikrofon an waren, spielte die Zeit f&uuml;r mich nur noch eine Nebenrolle. Ich konzentrierte mich auf meine thematischen Eckpfeiler und versuchte durch die Fragen, das Gespr&auml;ch thematisch nach dem von mir im Vorhinein erstellten Plan zu f&uuml;hren. Jedoch muss ich auch ehrlicherweise zugeben, dass die Anforderungen f&uuml;r mich als Interviewer teilweise mit dem zunehmenden Alter der Gespr&auml;chspartner anstiegen. Trotzdem konnten wir als Interview-Team nach jedem Gespr&auml;ch zufrieden den Drehort mit der Gewissheit verlassen, einen weiteren n&uuml;tzlichen Beitrag zur Festhaltung der saarl&auml;ndischen Geschichte geleistet zu haben.</p> <p>Abschlie&szlig;end kann ich nur nochmals hervorheben, wie spannend es ist, mit saarl&auml;ndischen Zeitzeugen &uuml;ber die Geschichte unserer gemeinsamen Heimat zu sprechen. Die Erfahrungen, die diese Menschen gemacht haben, die unterschiedlichen Blickwinkel auf die Geschichte, die unterschiedlichen Eindr&uuml;cke, all das f&uuml;gt sich letztendlich zu einem Gesamtbild einer f&uuml;r das Saarland unglaublich wichtigen und aufregenden Plattform zusammen. Ein Teil der Geschichte unserer Heimat wurde hier f&uuml;r Sie in der modernsten Form festgehalten und f&uuml;r jedes Ihrer unterschiedlichen Interessengebiete, sei es der Sport, die Kultur, die Politik oder die Wirtschaft, ist hier mehr als genug geboten. Genie&szlig;en Sie die Inhalte und lassen Sie sich in eine andere Zeit zur&uuml;ckversetzen. Ich f&uuml;r meinen Teil bin sehr stolz, ein Teil des &bdquo;Saarl&auml;ndische Zeitzeugen&ldquo; Projekts zu sein und w&uuml;nsche Ihnen eine unterhaltsame und lehrreiche Zeit, beim Anschauen unserer Zeitzeugen-Gespr&auml;che!</p> <p>Herzliche Gr&uuml;&szlig;e</p> <p>Paul Niklas Langer, Student der &bdquo;Deutsch-Franz&ouml;sischen Studien: Grenz&uuml;berschreitende Kommunikation und Kooperation&ldquo; an der Universit&auml;t des Saarlandes</p> <p>&nbsp;</p>
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